Du wirst immer fett und nie so schön wie
sie sein. Wenn du in den Spiegel schaust, werde ich dir das Bild verzerren. Ich
werde dir Fettleibigkeit und Scheußlichkeit zeigen. Ich werde dir einen
Sumo-Ringer zeigen, wo in Wirklichkeit ein hungerndes Kind ist. Aber du musst
das glauben, denn wenn du die Wahrheit kennen würdest, könntest du wieder
anfangen zu essen und unsere Beziehung würde zerbrechen....
Wenn du dich entscheidest gegen mich zu
kämpfen, jemanden zu erreichen und ihm zu erzählen, was ich aus deinem Leben
mache, wird alles zusammen brechen! Niemand darf es erfahren, niemand kann die
Schale brechen, mit der ich dich bedeckt habe. Ich habe dieses dünne, perfekte,
beneidenswerte Kind geschaffen. Du bist mein, nur mein. Ohne mich bist du
nichts. Also kämpfe nicht gegen mich! Wenn andere Bemerkungen machen, ignoriere
sie. Beschleunige dein Tempo, vergiss sie, vergiss alle, die versuchen mich von
dir weg zubekommen. Ich bin dein größter Gewinn und ich habe vor sie von dir
fern zu halten.
In Liebe,
Ana
Ana
Dies sind zwei
Auszüge aus dem ersten Brief von Ana, welchen ich auf einem Pro Ana Blog im
Internet gefunden habe. Pro Ana ist eine Bewegung von meist jungen Frauen und
Mädchen. Diese Mädchen leiden unter einer Esstörung, sie sind sich ihrer
Krankheit bewusst und sind stolz auf sie. Diese Mädchen sehen die Krankheiten
Anorexia nervosa (Magersucht) und Bulimia nervosa ( Ess-Brechsucht) als
Lifestyle, eine Wahl die sie getroffen haben, um „endlich“ hübsch zu sein. Sie
nennen sich selbst Anas, benannt nach ihrer Krankheit. Anas pushen sich vor
allem in sozialen Netzwerken du speziell dafür angelegten Blogs dazu immer mehr
abzunehmen.
Magersucht ist
eine ernstzunehmende Krankheit, die ohne psychologische Hilfe sogar zum Tod
führen kann. Durch ein gestörtes Selbstwahrnehmungsvermögen, sehen sich die
Betroffenen meist viel „dicker“ als sie es eigentlich sind. Manche
Magersüchtigen leben nach den Briefen von Ana, Briefe der Krankheit an sie
selbst. In diesen Briefen wird den Mädchen gesagt wie „schlecht“ sie wirklich
sind, was sie alles tun müssen und was verboten ist. Es wird sogar dazu
aufgefordert sich niemandem anzuvertrauen: „Deine Freunde verstehen dich nicht.
Sie sind nicht ehrlich. […] Nur ich sage dir die Wahrheit. Deine Eltern…lass
uns nicht so weit gehen! […] Ich werde dir jetzt ein Geheimnis verraten: Tief
im inneren sind sie von dir enttäuscht.“ Durch Selbstzweifel und Selbsthass
fangen einige Mädchen an das, was in diesen Briefen steht zu glauben und sich
dann immer mehr zurückzuziehen. Jedoch
steht Magersucht für Mädchen der Pro Ana Bewegung für Macht und Kontrolle über
den eigenen Körper.
Im Internet
gibt es allerhand Tipps und Tricks wie man sich am besten aushungert, welche
Ausreden man in alltäglichen Situationen verwenden kann, welche Tabletten man
schlucken muss um schöne Nägel und Haare zu erhalten und wie man nach 72
Stunden fasten am wenigsten Kalorien aufnimmt. Es gibt kurze Motivationstexte,
Regeln um ein „schönes Mädchen“ zu sein und Bilder von viel zu dünnen Frauen. All
das wird nahezu vergöttert, das Idealbild eines dürren, zerbrechlichen Mädchens
entsteht. Die gesundheitlichen Risiken sind den meisten egal, Hauptsache, man
ist hübsch.
Von vielen der Pro Ana Bewegung wird
Magersucht als extremes Schlankheitsideal gesehen, egal wie viel man schon
abgenommen hat, es müssen immer mehr Kilos runter. Wenn man dann bei 1.70
Metern nur noch 44 Kilo wiegt ist das immer noch zu viel. Der Körper wird immer
schwächer und trotzdem muss noch mehr
als eine Stunde pro Tag Sport gemacht werden, sonst ist man keine „echte Ana“.
Oft wird bis zu
72h gefastet, hierbei sind nur Getränke mit niedriger Kalorienzahl oder Kaffee
mit Süßungsmitteln erlaubt, um das Verlangen nach Essen zu stillen. Danach
nehmen die meisten bestimmte Tabletten zu sich, um die Kalorienaufnahme zu
vermindern, denn nach dem Fasten speichert der Körper alles, was er danach zu
sich nimmt als Fettreserve ein. Dem Körper wird durch die vielen Stunden ohne
Essen nämlich signalisiert, dass Essen gerade knapp ist.
Bilder von
Frauen, die so dünne Beine haben, dass man sich wundert, dass sie überhaupt
noch stehen können werden im Internet unter dem #thinspiration geteilt. Es
kommt nicht selten vor, dass unter dem Bild eines beängstigend dünnen Mädchens
Dinge wie „Tut mir leid, dass ich so fett bin“, „Ich habe schon wieder
zugenommen“ oder „Ich muss endlich mal abnehmen“ stehen.
Viele Frauen
und Mädchen hungern sich selbst aus um einen Tigh Gap zu bekommen- eine Lücke
zwischen den Beinen. Im Internet kursieren viele Bilder von jungen Frauen mit
Oberschenkellücke, dabei ist es ganz normal, dort keine Lücke zu haben, im
Gegenteil, versucht man die dort liegenden Reserven loszuwerden so ist dies
gesundheitlich bedenklich. Schon kleine Mädchen sehen dürre Models auf
Laufstegen und fühlen sich schlecht, wenn sie sehen, dass sie nicht so dünn
sind wie sie. Die Models müssen täglich einem strengen Essensplan folgen um
nicht „zu dick“ zu werden, so passiert es, dass viele Models in die Magersucht
getrieben werden, aus Angst ihren Job zu verlieren.
Eigentlich
wurde schon vor einigen Jahren, von der deutschen Textil- und Modeindustrie
eine Vereinbarung unterschrieben, in der es hieß, sie würden keine mageren
Models mehr auf den Laufstegen einsetzen. Dennoch hat sich aktuell noch nicht
wirklich etwas verändert. Länder wie Israel hingegen haben gesetzlich
festgelegt, dass ein Model mit einem BMI unter 18,5 nicht mehr arbeiten darf,
dem Arbeitgeber muss alle drei Monate ein Attest vorgelegt werden. Stardesigner
wie Karl Lagerfeld lassen immer noch dürre Models über den Laufsteg laufen,
denn laut ihm möchte niemand „dicke“ Models sehen.
Man sollte sich
fragen, ob man nur um „schön“ zu sein, solche gewaltigen Risiken auf sich
nehmen will. Will man wirklich so aussehen? Was hat man davon, wenn man jeden
Tag leidet um schön zu sein? Ist es überhaupt schon, so dünn zu sein?
Jeder definiert
Schönheit anders und nur, weil der aktuelle Trend „je dünner, desto schöner“
lautet, muss man dem doch nicht nacheifern und sich selbst kaputt machen
- Nellow
Ich finde den Text sehr gelungen. Schön, dass Du auch auf die Modeindustrie eingegangen bist, welche bei diesem Thema ja doch eine wichtige Rolle spielt. Alles in allem ein guter Text :) (K)
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